Die vergessene Bremse
Das Auto von Wolfgang P. rammte einen Audi. Der Riesaer beging Unfallflucht. Seine Reue und die Sorge um den Arbeitsplatz stimmen das Gericht milde.
Von Thomas Riemer
Wolfgang P. hat seinen „Aussetzer“ gestanden, Reue geübt. Sein
Vorstrafenregister ist sauer. Den angerichteten schaden hat er umgehend
reguliert. Trotzdem muss der 59-Jährige demnächst für einen Monat auf
seine Fahrerlaubnis verzichten. Ursprünglich sollten es sogar drei
Monate sein. Doch gegen diesen früheren Gerichtsbeschluss ging Wolfgang
P. in Revision.
Am 3. Januar hatte er einen Blackout. Er stellte sein Auto auf der
Heinz-Steyer-Straße in Riesa ab, vergaß aber, die Handbremse
anzuziehen. Sein Wagen rollte daraufhin nach hinten, rammte einen Audi.
Der Schaden an dessen Lack wurde später auf rund 1700 Euro geschätzt.
Wolfgang P. jedoch hatte das Dilemma zwar bemerkt, fuhr aber auf und
davon. „Ich war in einer Stresssituation, musste zu einem Termin nach
Grimma“, sagte er am Dienstag vor dem Riesaer Amtsgericht. Zudem habe
er den Schaden am Audi nicht so hoch eingeschätzt, da die Kratzer am
eigenen Fahrzeug kaum zu sehen waren.
In erster Instanz verurteilte das Gericht Wolfgang P. zu einer
Geldstrafe von reichlich 1000 Euro sowie drei Monaten Fahrverbot. Doch
der Verurteilte legte Einspruch ein. „Ich bin beruflich auf mein
Fahrzeug angewiesen“, sagte er am Dienstag. Außerdem befinde er sich
mitten im Umzug zu seiner Lebensgefährtin nach Grimma, habe zudem seine
Eltern in Lommatzsch, die er wegen ihres hohen Alters (90/88)
mindestens einmal pro Woche besucht. Seinen Arbeitsplatz in Zeithain
könne er mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schlecht erreichen, da er
unregelmäßig und im Schicht-Rhythmus tätig sei.
Oberstaatsanwältin Karin Dietze machte klar, dass der Sachverhalt trotz
aller Umstände „strafbar als Unfallflucht“ zu betrachten ist. Ein
Fahrverbot könne deshalb in diesem Fall nicht umgangen werden. „Drei
Monate sind vielleicht ein bisschen viel, aber um einen Monat kommen
wir nicht herum“, so Dietze.
Richter Mischa Hecker sah es genau so. Der Entzug der Fahrerlaubnis sei
eine „Warnungs- und Besinnungsstrafe“ für Wolfgang P. Der will nun
versuchen, das Fahrverbot während seiner Urlaubszeit im Juni/Juli
„abzusitzen“, um seine Arbeit nicht zu gefährden.